Verkehrsministerium und Deutsche Bahn treffen sich heute in Berlin zum gemeinsamen Freudentaumel: Die drei Wochen alte DB InfraGO-Aktiengesellschaft soll das Ruder herumreißen im desolaten Schienennetz! DIE GÜTERBAHNEN haben ihre Teilnahme abgesagt. Sie äußern Unverständnis – über die Veranstaltung und noch viel mehr über das Regierungshandeln.
Anders als bei Fußball-Meisterfeiern, die bisher selbst in München nie schon nach dem ersten Spieltag stattfanden, wollen Verkehrsministerium und DB heute bereits zur Halbzeit die Schale hochhalten. Bei der neuen DB InfraGO AG fehlen jedoch essenzielle Dinge. Ludolf Kerkeling, Vorstandsvorsitzender der GÜTERBAHNEN: „Es gibt keine Strategie, keine Kennzahlen, keine Unabhängigkeit und keine wirksame externe Kontrolle.“ Kerkeling sieht den Auftrag des Koalitionsvertrages, eine gemeinwohlorientierte Schieneninfrastrukturgesellschaft zu bilden, als noch lange nicht erfüllt an und zählt auf, wie wenig binnen zwei Jahren geschafft wurde: „Eine Verschmelzung der Netz- und Bahnhofsgesellschaft, ein neuer Name und 18 einzelne Gemeinwohlbegriffe in der Unternehmenssatzung. Die lesen sich gut, wurden aber nicht mit Zahlen unterfüttert und weder untereinander noch mit der weiterbestehenden Gewinnorientierung abgewogen. Diese war aber eine wesentliche Ursache für die verschleppte Instandhaltung des Netzes. Viele Expertenvorschläge wurden vom Verkehrsministerium abgelehnt oder nicht aufgegriffen. Das Ministerium kündigt noch Neuerungen an, von denen wir allerdings nicht wissen, ob und in welcher Form sie kommen.“
Auch aus anderen Gründen ist der Zeitpunkt der Veranstaltung verfrüht. Längere Sperrungen bei den Korridorsanierungen und eine Kostenexplosion beim Projekt Riedbahn sind typisch für die alte Welt der DB Netz AG – ebenso wie die angekündigten Trassenpreiserhöhungen für Güter- und Fernverkehr. Kerkeling: „Kurz nach dem Antrag auf die größte Trassenpreiserhöhung in der Geschichte der DB AG ist uns nach Jubeln nicht zumute. Wir feiern gern dann mit DB und Verkehrsministerium, sobald der Bund Effizienz und Tempo bei der DB InfraGO steigert und die sich kundenorientiert verhält.“
Ein gutes Beispiel für halbherzige Reformen ist die gute Idee eines „Infraplans“. Dessen Konzept aus dem Verkehrsministerium ist so dünn, dass sich nicht erschließt, wozu es ihn braucht. „Die Pläne für den Neu- und Ausbau des Schienennetzes sind längst fertig, es wird nur nichts umgesetzt. Statt die Lähmung bei den bisherigen Maßnahmen mit zeitlich verbindlichen Zielen und stabiler Finanzierung zu beseitigen, soll jetzt noch ein zusätzliches Planungsinstrument geschaffen werden“, so Kerkeling.
Mit den kürzlich beantragten Trassenpreis-Steigerungen im Schienengüterverkehr von 13,4 Prozent (2024 auf 2025) zeigt die InfraGO plakativ, dass sie Gemeinwohl bislang nicht im Sinn hat. Kerkeling: „Zusammen mit der Kürzung der Trassenpreisförderung durch den Bund und der kostentreibenden schlechten Leistung im Netz bringt sie damit jene Unternehmen an den Abgrund, die das Schienenwachstum in den kommenden Jahren tragen müssen.“ Eine gemeinwohlorientierte Reform des Trassenpreissystems ist ebenso notwendig wie gemeinwohlorientiertes Verhalten der InfraGO. „Höhere Kosten für eine schlechtere Leistung fällt sicher nicht unter den Begriff Gemeinwohl! Vielleicht fühlen sich die Verantwortlichen bei der DB nach dieser Mini-Bahnreform sicher, dass kein weiteres Eingreifen vom Bund zu befürchten ist.“
Weitere Informationen zur DB InfraGO AG finden Sie auf DB-Watch.
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