DIE GÜTERBAHNEN trafen sich am 19. März zur Mitgliederversammlung in Wien und die Diskussionen wurden schnell eindeutig: Woran auf Österreichs Schienennetz gearbeitet wird, davon kann man in Deutschland nur träumen. Das „Zielnetz 2040“ ist ambitioniert und mit klarem Fokus auf Wachstum. Der Systemvergleich brachte einige Erkenntnisse.
„Unsere Nachbarn sind zusehends genervt über die Zustände in Deutschland, das seiner Bedeutung als Transitland und Logistikdrehscheibe überhaupt nicht nachkommt. Deutschland täte gut daran, sich Österreich bei seinen Zielen der Schienennetzentwicklung genau anzuschauen. Ziele werden hier viel gründlicher ausgearbeitet und vor allem verfolgt als in Deutschland“, so Ludolf Kerkeling, Vorstandsvorsitzender der GÜTERBAHNEN in Wien.
In der deutschen Diskussion über eine Bahnreform wird von der DB häufig Österreich stets als „Kronzeuge“ für die Struktur eines integrierten Konzerns gepriesen, um strukturelle Veränderungen im DB-Konzern abzuwehren. Kerkeling: „Hier liegt jedoch ein Denkfehler vor: Nicht der integrierte Konzern selbst bringt qualitativ besseren Verkehr, sondern ein Dreiklang aus einer jahrelang konsequent betriebenen Schienenpolitik der österreichischen Regierung, stabilen und hohen Investitionen sowie einer viel höheren Orientierung (fast) aller Beteiligten am Kundennutzen als hierzulande.“
In Österreich hat die Bundesregierung viel früher den Schalter von Rückbau umgelegt und sich konsequent auf Investitionen, ein modernes Mischbetriebsnetz für alle drei Verkehrsarten, Taktfahrpläne und einen leistungsfähigen Schienengüterverkehr entschieden. Das kürzlich vorgestellte „Zielnetz 2040“ soll demnächst als konsequente Ausbaustrategie beschlossen werden. Kerkeling: „Der Erfolg der stetig wachsenden privaten Güterbahnen spricht für sich, was die Leistungsfähigkeit der Branche angeht. Deutschland muss dafür sorgen, dass die teils noch aus der späten Postkutschenzeit stammende Schieneninfrastruktur anschlussfähig an seine engagierten Nachbarländer wird.“
Das kleine Österreich mit seiner schienenorientierten Politik ist darüber hinaus von den mit heißer Nadel gestrickten Netzsanierungsplänen in Deutschland direkt schwer betroffen: Vier Teilstrecken auf zwei zentraleuropäischen Hauptrouten sollen 2026 und 2027 für mehrere Monate abgeklemmt werden. Das größte Sorgenkind: Die Strecke von Regensburg nach Passau. Kerkeling: „Aus österreichischer Perspektive sind das keine fernen Winkel, wie man das vielleicht in Berlin oder Frankfurt wahrnimmt, sondern Lebensadern der österreichischen Wirtschaft und für die Verkehre von und nach Ungarn, Rumänien, Slowenien und andere Staaten. Österreich ist zurecht alarmiert, wenn nach den ersten Plänen der DB InfraGO für bis zu 60 von täglich 130 Güterzügen keine Umleiterstrecken angeboten werden und sie schlicht entfallen sollen – und wenn für umgeleitete und ausfallende Züge auch keinerlei finanzielle Kompensation gezahlt werden soll. Die DB will Ende April ein angepasstes Konzept vorlegen. Sollte das auch im dritten Anlauf die Erwartungen der GÜTERBAHNEN nicht treffen, wird unsere Unterstützung für das Konzept Korridorsanierung insgesamt enden. Streckensanierungen, das ist die klare Erkenntnis des Treffens in Wien, dürfen nicht existenzbedrohend für die Verkehrsunternehmen werden.“
Die Mitgliederversammlung wählte Henrik Würdemann neu in den Vorstand der GÜTERBAHNEN. Er ist Geschäftsführer der Captrain Deutschland GmbH und wird den Verband nun in diesem Ehrenamt unterstützen – er ist unter anderem ein ausgewiesener Experte zum Thema Einzelwagenverkehr. Wir freuen uns auf die Zusammenarbeit.
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