Das Münchner Oktoberfest geht auf die Schlussgerade. Am Ende werden vermutlich wieder mehr als sechs Millionen Liter Bier in annähernd ebenso viele Kehlen geflossen sein. Einige norddeutsche Besucher:innen werden nach einer Pause vielleicht noch einmal nachschmecken wollen und im heimischen Supermarkt eine der Münchner Biermarken suchen. 10 Liter in der 20-Flaschen-Bierkiste gibt es da für den Preis von eineinhalb frisch gezapften Maß in München. Transportwirtschaft und Teile des Lebensmittelhandels warnen nun davor, dass zum 01. Dezember die Bierkiste um gleich 50 Cent teurer würde – und zwar nicht nur für Münchner Bier in Hamburg. Schuld sei die von der Bundesregierung geplante Erhöhung der Lkw-Maut. DIE GÜTERBAHNEN hatten bereits Ende 2022 das Schweizer Beratungsunternehmen INFRAS gebeten, eine Verdoppelung der Lkw-Maut auf den Transport einer Flasche Bier von München nach Hamburg herunterzurechnen. Ergebnis: selbst bei dieser unüblich großen Transportentfernung für Bier von über 800 Kilometern steigt der Flaschenpreis nur um 0,8 Cent – für die ganze Kiste um 16 Cent. Um auf einen halben Euro mehr je Kiste zu kommen, müsste die Kiste demzufolge etwa 60 Flaschen beinhalten. Würde das bayerische Helle nur beispielsweise nach Fulda ausgeliefert, würde der plakative Wert für den angeblichen Inflationsbooster Lkw-Maut schon nur noch zu einer 120-Flaschen-Kiste passen. Inflationstreiber dürfte rein rechnerisch also eher eine ungerechtfertigt starke Preiserhöhung unter dem Deckmäntelchen der Mauterhöhung sein.
Aus dem Straßengüterverkehrsgewerbe gibt es Widerstand gegen die Umsetzung der EU-weiten Verpflichtung, die Klimaschäden durch die hohen CO2-Emissionen des Lkw in die Maut einzubeziehen. Beim Bahnstrom, soweit er noch CO2-Emissionen hat, ist das schon seit 2005 der Fall. Mal wird die mit der neuen „CO2-Komponente“ der Maut verbundene Kostenerhöhung als Belastung der Lkw-Unternehmen kritisiert, Mal die Endverbraucher:innen als Getroffene bezeichnet. Richtig ist, dass generell die Maut und ihre Erhöhung bei den Endkund:innen landet. Nicht anders als die Posten für Personal, Abschreibung des Fahrzeugs, Energie, Verwaltung und den in der Transportbranche üblichen geringen Gewinn führen auch Steuern oder eben die Maut zu einem Lkw-Transportpreis, der einer Studie für das Bundesverkehrsministerium von 2022 zufolge je nach Transportgut zwischen 0,4 und 55,3 und über alle Güter gemittelt bei 2,1 Prozent liegt. Die Maut selbst ist wiederum nur ein kleiner Teil der Transportkosten. Pro Kilometer eines 40-Tonnen-Lkw sollen die Klimafolgen ab Dezember mit 15,8 Cent angelastet werden. Im Mittel, so die Studie, würde selbst eine noch etwas größere Mauterhöhung – von 20 Cent – pro Lkw-Kilometer nur 0,1 Prozentpunkte Kostensteigerung verursachen, gemessen am Wert des Transportgutes. Übrigens: In einer repräsentativen Umfrage des Instituts Kantar im Auftrag der GÜTERBAHNEN aus dem August 2021 überschätzten die Menschen hierzulande den Anteil der Transportkosten gnadenlos. Im Schnitt wurde er auf 30,3 Prozent geschätzt.
Die Regierung sagt richtigerweise, dass Umweltschäden von den Verursacher:innen und nicht der Allgemeinheit bezahlt werden sollen und die Mauterhöhung außerdem zwei weitere Vorteile hat. Erstmals seit langer Zeit soll das Mehraufkommen wieder zu einem nennenswerten Teil in den zukunftsfähigen Umbau des Verkehrssystems und nicht nur in noch mehr Straßenbau gesteckt werden. 40 Prozent der geschätzten jährlichen Zusatzeinnahmen aus der CO2-Komponente von 6,65 Milliarden Euro sollen in die Modernisierung und den Ausbau der Schieneninfrastruktur gehen, um der verladenden Wirtschaft bessere Alternativen zum Lkw anzubieten. Diese Verknüpfung von höheren Verlagerungsanreizen durch die Maut und die Mittelverwendung für den Ausbau von Alternativen zum Lkw macht die Schweiz bereits seit 2001 erfolgreich vor. Vor allem dank des Ausbaus der Schieneninfrastruktur samt der großen Alpentunnel wurde der Schienenanteil im Nord-Süd-Transit des Alpenlandes auf 75 Prozent gesteigert. In Deutschland insgesamt liegt der Schienenanteil im Güterverkehr zurzeit bei 20 Prozent und soll bis 2030 auf 25 Prozent gesteigert werden. Damit das gelingt, müssen die zusätzlichen Mittel auch in Infrastrukturmaßnahmen gehen, die einen Nutzen für den Schienengüterverkehr und die intermodalen Logistikketten gehen, bei denen der größte Teil der Strecken auf der Schiene zurückgelegt wird. Viele Unternehmen der verladenden Wirtschaft suchen anders als früher nach klimafreundlichen und personaleffizienten Transportalternativen zum Lkw. Die Schiene ist eine Option, die indirekt durch die geplante Lkw-Mauterhöhung auch wirtschaftlich attraktiver wird.
Die höhere Maut soll allerdings auch die Attraktivität von klimafreundlich angetriebenen Lkw erhöhen, die beim aktuellen Dieselpreisniveau schlicht keine Chance haben, sich auf dem Markt durchzusetzen – zumal der Straßengüterverkehr zu einem immer größeren Teil von europäischen Unternehmen gefahren wird. Hier hat eine Anlastung der Umweltkosten über die Maut den großen Vorteil, dass alle gleiche Kosten haben – egal, ob der Lkw aus Deutschland, Litauen, Spanien oder Bulgarien kommt.